geographical cure, Heterotopien als Schreiborte und tumblr
Gerade sitze ich im Zug. Die letzten Tage war ich in Bratislava, wo ich an dem Theaterstück fürs Phönix geschrieben habe. Es ist weitergegangen, hurra. Beim Schreiben rette ich mich oft in das, was John Green in irgendeinem frühen vlogbrothers Video die geographical cure nannte, allerdings um zu beschreiben, dass diese cure nicht funktioniert.
Ich glaube, er meinte es damals im Sinne von dauerhaftem Umzug, einem “Weglaufen”. Für mich funktioniert es im Sinne eines temporären, kurzen retreats gut um auf die kreative Arbeit zu fokussieren. Allerdings habe ich immer schon mehr schlecht als recht zu Hause geschrieben (zu viele Ablenkungen) und favorisiere vielleicht wegen meiner Wiener Sozialisierung das Schreiben in öffentlichen Orten, vor allem Kaffeehäusern. Da ist das Kaffeehaus in einer anderen Stadt, einem anderen Land, etc., quasi nur eine weitere Schicht der Blase. Und um dort, wo auch immer, hinzukommen, muss ich mit dem Zug fahren, wo ich auch ganz gut denken-schreiben kann. Ich bin auch irgendwo nur ein foucault’sches Klischee vis-à-vis Heterotopien.
Und da ist der segue zu, man kann es kaum glauben: tumblr. Seitdem ich twitter verlassen habe, schon eine Weile, bevor twitter sich selbst verlassen hat, habe ich noch keine Alternative für das gefunden, was twitter früher in der Zeit des sogenannten Schöne-Worte-Twitter war. Die Dezentralisierung, wie sie z.B. Mastodon mit sich bringt, interessiert mich grundsätzlich, aber im Moment kann ich mir nicht vorstellen, in der Form von Kürzesttexten ohne enorme Verkürzung (nach außen) zu kommunizieren, weder zu sozialen-politischen Themen noch ästhetisch. Lieber versuche ich (wie ich bereits geschrieben habe), hier zu schreiben und einen neuen zeitgenössischen Zugang zu dem, was irgendwann mal die blogosphere war, zu finden. [Die Vernetzungsmöglichkeiten von erstgewesen als jekyll-Seite sind aktuell noch eine sehr große Baustelle und etwas, was ich mir noch anschauen will.]
Während ich noch auf instagram bin, verwende ich das eher als Informationsmedium für meine erweiterte soziale bubble. Das passiert gerade bei mir, diese schönen Dinge habe ich gerade getan. Selbstdarstellung. Meine Kommentare zu Youtube-Videos lassen sich auch an einer Hand abzählen, insbesondere bei Livestreams, die ich an sich immer noch spannend finde, der Livechat ist mir allerdings zu rasant. Was übrigbleibt, ist tumblr. Tausendmal totgesagt, fragil und mehr Gafferband als sonstwas, bin ich immer wieder zurückgekommen.
Nun, wenn man meinen eigenen tumblr durch die Jahre scrollt, ist es vor allem eine Art ästhetische wie popkulturelle Zeitreise durch die Entwicklung meiner Persönlichkeit. Spannend, aber nicht besonders diskursiv. Und überhaupt war ich nie sehr am Kommentieren und Reposten beteiligt, vielleicht weil tumblr für mich nur die zweite Wahl nach dem langsamen Tod von soup.io war. In den letzten Jahren habe ich es allerdings vor allem als Leser benutzt, solarpunk-, permaculture- oder anarchy-tumblr spült einem immer wieder gute Kurztexte und auch Repositorien von Ressourcen in den feed. Selbst gepostet habe ich allerdings nichts, das Interaktionssystem ist mir immer noch eher unklar. In früheren Zeiten schien mir sozialer Kontakt via Reblogs und Privatnachrichten zu passieren, die öffentliche Seite mit Kommentaren, die wie tags auftauchen kenne ich nur aus Beobachtung. [Idee: Diese Notiz mir einer englischen Zusammenfassung auf tumblr posten und als Exempel hernehmen.]
Das hier hat keine wirkliche Conclusio, außer, dass ich es interessant und lustig finde, dass gerade tumblr übergeblieben zu sein scheint. Aber andererseits hat tumblr sicher was heterotopisches an sich, also ist es vielleicht gar nicht so überraschend.